Gestern kein Ruhetag - daher heute nur eine vergleichsweise kurze Strecke zu meinem derzeitige Lieblingsparador La Granja (ich beschrieb ihn 2008 so: guggst Du hier») in dessen ungemein angenehmem Ambiente ich mich sozusagen suhle, bevor es morgen weiter geht nach Guadalupe.

Der Parador liegt in San Ildefonso la Granja, heute Ortsteil von Segovia, an den nordwestlichen Ausläufern der Sierra Guadarrama. Um von Madrid aus in den Norden zu fahren, also etwa Richtung Burgos oder Bilbao oder, noch unwegsamer, nach Nordwesten Richtung Salamanca und Galicia muss der Gebirgszug der Sierra Guadarrama überwunden werden.

unterwegs

Um Madrid zu meiden, bin ich von Alcalá aus erst mal nach Norden gefahren, um vor der Passhöhe Richtung Burgos nach Westen abzubiegen und dann den südlichen Ausläufernder Sierra Guadarrame entlang zu gondeln um dann letztlich über den Puerto Navacerrada die Hürde zu nehmen. Neben der Route selbst kannst Du rechts das Strecklenprofil anklicken.

Bekannt war mir, dass jeder Madrileño danach strebt "in der Sierra" eine kleine Sommerresidenz zu haben, um der Bruthitze des Stadtkessels im Sommer standesgemäß entfliehen zu können. Und es gibt derer heutzutage 4,5 Millionen. Das hat nun offensichtlich im Rahmen des Baumbooms der letzten Jahre dazu geführt, dass die Gegend, durch die ich gefahren bin, leicht zersiedelt ist durch aus dem Boden gestanzte Kunst-Wohngebiete. Die sollen (sollten?) - so die Baulöwen, die das alles in die Langschaft geknallt haben - nicht nur am Wochenende der Erholung dienen, sondern auch als Wohnsitz für Menschen, die in Madrid arbeiten - etwa 50 km entfernt. Die 4 Türme sind Mitte Madrid und zeigen die Entfernung der Siedlung, die ich hier fotografiert habe.

Als ich dann unterwegs an einer weiteren monströsen Siedlung bezugslos inmitten der Landschaft vorbei fuhr - hielt ich an und wollte doch mal mehr wissen. Der "Wächter" an den Zufahrts-Schranken gestattete mir, eine Runde zu fahren und mir die Siedlung mal anzuschauen. Im Detail - also wenn man alles andere drumrum wie die Nähe der Nachbarn, den Einheitsstil, die Monotonie der Wiederolung, die entfernte Lage der Siedlung zur Lebensinfrastruktur von Arbeit über Einkauf und Schule ausblendet - prima vista nichts zu beanstanden und dennoch schrecklich.

Ich erfuhr, dass es viele solcher und ähnlicher in den letzten Jahren aus dem Boden gestampfter Neu-Siedlung in dieser Region und überhaupt im Einzugsbereich von Madrid gäbe, denen es nun in der Finanzkrise so ginge, wie dieser: von den 120 Häusern in Preislagen zwischen 350.000 EUR das Reihenhaus und 750.000 EUR das frei stehende Einzelhaus (das hier links ist ein solches und kostet 750.000 EUR, und macht nicht den Eindruck, auf einem angemessen großen Grundstück als Einzelhaus zu stehen) 40 bewohnt seien - alle anderen stünden leer.

unterwegs
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Das ist die spanische Misere: Hier um Madrid, im Umland aller Ballungszentren und Mittelstädte, aber besonders auch an den Küsten steht unglaublich viel neuer Wohnraum leer und nun stellt sich heraus, dass ein ungemein großer Teil der Wirtschaftskraft in Baumaßnahmen geflossen ist - mit einer grausamen Nebenfolge: Bauen beschäftigte unglaublich viele Menschen auf niedrigem Standard und so lange alles lief, verdienten die Bauarbeiter gutes Geld. Jetzt steht alles still - abgesehen von öffentlichen Baumaßnahmen - und ein Heer von jungen, schlecht oder gar nicht ausgebildeten Bauwerkern steht auf der Straße und bietet im Wesentlichen Muskelkraft an - sonst nix.

Nun denn: Es gab unterwegs natürlich auch erfreuliche bauliche Anblicke, wenngleich der rege Verkehr - schönes Wetter, Feiertag, Nähe Madrid - nicht den Eindruck verkehrsarmer Nebenstrecken vermittelte.

Und als ich mich dann auf die Pass-Straße einfädelte, war endgültiger Verkehrsinfarkt. Die Autos standen Stoßstange an Stoßstange und kamen nur in sehr langsamem stop-and-go voran. Straße zweispurig, vergleichsweise schmal, sehr engkurvig und konsequent durchgehend bis auf die Passhöhe weißer Mittelstrich. Also in bewährter Weise auf der Gegenbahn nach oben, immer wieder mal nach rechts zwischen die Autos quetschen, wenn der Gegenverkehr seine Fahrbahn forderte. Das ging einige km so - und niemand regte sich auf!!!! Das ist das Dollste.

Oben angekommen war's klar: Die Skilifte liefen und die Wintersportler vergnügten sich in reichlich Schnee und Sonne - aber ein schrecklicher Trubel.

Ohne anzuhalten gings wieder nach unten und direkt in mein Ziel genau da, wo die Hoch-Ebene sich bei immerhin ca. 1000m Höhenlage nach Norden wieder breit und weit macht.

Mein Unterbringung ist wieder top, das Essen das bisher beste dieser Reise.
Mangels kurzfristiger Alternativen über die Ostertage lümmle ich in einem Appartement, das ich kurz zu beschreiben versuche: Ein Vorzimmerchen als Eingangsbereich gefolgt von einem Salon mit Arbeitsmöglichkeiten und Flachbild-TV. Auf einem Tischchen zur freien - kostenlosen! - Verfügung beste Spirituosen vom 12 Jahre alten Whisky bis zum Carlos I, dem spanischen Spitzen-Cognac und dergleichen! (Schade, dass ich da wenig Spaß dran habe. Wird Zeit, dass ich erwachsen werde.)
Fußnote: Ein derartiges Angebot unterstellt eine "Gästequalität", die den Vertrauensvorschuss zu würdigen weiß und respektiert. Vertrauen verlangt Gegenseitigkeit. Mir schmeichelt dieses Angebot, unterstellt es mir doch eine Haltung, die nichts mit den Eigenschaften zu tun hat, die unserem Schnäppchenjäger-Trieb zugrund liegen.

Der Schlafraum mit Bett 2,40m x 2,20m, angenehmer indirekter Beleuchtung und einem weiteren Flachbildschirm-TV schließt an und leitet durch das Ankleidezimmer mit Einbauschrankwand "Kirsche" hinter raumhohem Nessel-Vorhang in den Pflege-Bereich: in einer breiten Milchglas-Platte ca. 2,5m breit und 80 cm tief zwei tiefgezogene Waschmulden, eine Spiegel-Wand dahinter. Abgeschlossenes WC mit Bidet, Whirlpool und Extra-Dusche hinter einer Glasabtrennung, beheizter Schwarzschiefer-Boden. Jungfäuliche Hausschuhe mit Hausemblem und weißer Bademantel komplettieren das reichhaltige Zubehör....

Ja, bezahlbar, dieser Luxus - aber schwerer ;-)

etappe 4
Etappe 4
Streckenprofil
Alcalá - San Ildefonso (Freitag, 2.04.2010 - Etappe 4)