Als ich so gegen 10:00 Uhr loskam, die verwirrenden Gassen der Altstadt von Alcañiz hinter mir gelassen hatte und die Ausfallstraße nach Westen gefunden war, tat sich unverhofft ein Blick auf den Parador auf, den ich gerade verlassen hatte. Anhalten und fotographieren.
Wenn immer es geht nehme ich dabei inzwischden relativ wenig Rücksicht auf verkehrliche Situationen - nur die Sicherheit muss gewährleistet sein. So auch hier:

Die Straße mit Gegenverkehr vergleichsweise schmal und ich war ganz rechts ran gefahren, hatte - die Maschine zwischen den Beinen - meinen Apparat rausgefummelt und war gerade dabei, den Ausschnitt und die Belichtung zu wählen, da hupt es und die Polizei steht leicht nach hinten versetzt links neben mir und mault mich unhöflich an. Ich zucke bedauernd mit den Schultern und knipse nochmal und tat dann, was immer gut ist: Ich bat den unfreundlichen Hüter der verkehrlichen Ordnung mir doch bitte zu sagen, wo die nächste Tankstelle sei.

Das Thema war gewechselt, an die Stelle meines Ausdrucks der Missachtung seiner Autorität war mein Appell an seine Kompetenz angesichts meiner eingestandenen Hilflosigkeit getreten, und ich durfte brav weiter fahren - ohne die angedrohte Multa.

Das ist das in dieser Situation entstandene Bild.

Schönes Fahrwetter, kühl, Landschaft zunächst eher langweilig, Obstanbau. Erstaunlich spät dran, die Blüte, wie ich feststelle. Dass der erhoffte, explosionsartig ausbrechende Frühling noch auf den Zündfunken wartet, ist hier zumindest offensichtlich. Frischgrünes Pelzchen gelegentlich auf den Feldern, aber die Bäume treiben noch nicht aus. Alcañiz liegt zwar nur um die 200m überm Meer, aber Wetter und Wind kommen von Westen; das Klima wird also vom Festland bestimmt. Und ich bewege mich heute westliche Richtung sehr rasch auf 1200m hinauf.

Es wird karger, der Himmel brütet Regen aus und der Blick in meine Fahrtrichtung verheißt nichts Gutes. (Allerdings bleibt es während des ganzen Tages trocken - es wird wieder sonnig und am Abend ist alles vorbei und schön wie bisher durchgehend).

Es wird zunehmend hügelig, dünn besiedelt. Die Existenzgrundlage für die, die hier leben - es sind nur Wenige - ist nicht gerade üppig. Was für ein Kontrast zu den Eindrücken, die bei der letzten Etappe an der Mittelmeer-Küste entstanden sind. Ein anderes Spanien, das keine Touristen-Erwartungen erfüllt. Eher Eindrücke von einer Landschaft, die man fliehen möchte.

Gelegentlich ein Dorf, dessen gewachsene Harmonie kaum gestört ist. Ein "Vorrecht" von Dörfen in Regionen mit geringem landwirtschaftlichem Entwicklungs-Potential. Die Dorf- und Ortsränder in landwirtschaftlich prosperierenden Regionen sind von Fertighallen, Silobauten, modernen Stallgebäuden etc. derart verunstaltet, dass man sich optisch garnicht nähern mag. Erst wenn man sich zum alten Ortskern durchgekämpft hat, kommt das Gefühl menschenfreundlichen Lebensraums auf. Nicht umsonst treffen sich die Menschen abends dort zum Flanieren.

Kennst Du Molina de Aragon? Ja? Dann bist Du gebildet - ich kannte es nicht und dem ist eigentlich auch so geblieben, aber nach ca. 250 km Nichts wird ein Ort mit einer gewaltigen Festungsanlage doch schon zum Ereignis.

Wenn Du magst, schau Dir hier die Eindrücke an, die ich heute unterwegs gesammelt habe.

 

 

 

Und ab da wandelte sich auch schon bald das landschaftliche Bild. Ich kreuzte unwissend den Naturpark nördlich von Cuenca, den ich vor wenigen Jahren in einer für mich sehr eindrucksvollen Fahrt schon einmal in Süd-Nordrichtung gequert hatte. Leider habe ich keine Bilder von der landschaftlich so außergewöhnlich reizvollen Gegend. Ich fuhr meistens in tiefen, schluchtartigen Einschnitten entlang des Tajo - dessen Quelle ich ja im vergangenen Jahr zum Zwischenziel genommen hatte - und andere Flüsschen - rechts und links glatte steile, meist überhängende Felswände. Die Sträßchen extrem eng, kurvig und unübersichtlich gerade dort, wo anhalten und fotografieren angesagt war. Übrigens schwierig genug gerade solche Eindrücke im Bild fest zu halten.

Gegen Ende der Tour noch ein besonderer Schlenker im wahrten Wortsinn: Knapp vor dem Ziel bin ich hier>> falsch abgebogen um dann diesen>> Umweg von wenigstens einer Stunde zu produzieren, bis ich endlich angekommen war in dem mir unbekannten Parador de Alcalá de Henares.

AlcalaDon QuiIch war bestens untergebracht, habe einen Bummel zwischen den vielen Menschen gemacht, die sich nicht zuletzt eingefunden haben, die natürlich allenthalben stattfindenden Kar-Prozessionen zu begaffen. (Ich war in Alcañiz in der Kirche, die ich von meinem Fenster aus photographiert habe. Da standen in den Seitenaltären ungelogen mindestens 15 (in Worten: fünfzehn!) zum Umzug aufpolierte "Allerheiligste Schreine", Marien, Gekreutzigte und was noch alles, um unter dumpfem Getrommle vermummt durch die Gassen getragen zu werden. Heidnischer Mumpitz, aber wie in anderem Zusammenhang zum Kitsch angemerkt: Balsam für die Seele und wem das Lebenshilfe ist, bitteschön - aber nur so lange kein Fanatismus mit dem Anspruch des Alleinseeligmachens damit verbunden ist!

Uni

StorchEindrucksvoll die Universität von Alcalá de Henares von außen und der Blick in den Innenhof, das lebhafte Treiben auf der Plaza wo natürlich Don Quichotte - wer sonst? - so gelassen über dem Treiben auf seinem Sockel stand, wie die unvermeidlichen Störche sich auch hier auf den höchsten Punkten gut gehen lassen.

Gegessen habe ich jedenfalls mal wieder glänzend.

Etappe 3
Etappe 3
Alcaniz - Alcalá de Henares (Donnerstag, 1.04 .2010 - Etappe 3)