Ferrol. Was ins Gottes Namen will ich - will man - in Ferrol? Man weiß ja nicht mal, wo das liegt in Spanien! Die Stadt ist hässlich, hat kein nennenswertes Altstadt-Viertel mit Charme, keinen erkennbaren historischen Bezug. Schäußliche Häuser, mehrstöckig, 60er-Jahre Plattenbaucharakter, ungepflegt, stapeln sich entlang auf dem Reißbrett angelegter Straßen, die den Südhang entlang laufen, hinauf. Zwei schnurgerade Fußgänger-Einkaufsgassen mit uninteressanten Läden - viele stehen leer. Graffitti an jeder Ecke - schlechte Graffitti - einfach Schmierereien. Die Stadt hat kein Geld, die Leute haben kein Geld. (Ich hoffe, mein Motorrad ist gut angebunden, den der Parador hat keine Garage, keinen abgeschlossenen Parkplatz.)

Hafenstadt. Aber nicht Handelshafen mit Internationalität und Sündenmeile, nicht Fischerhafen mit dem Flair eines alten, gefährlichen Berufes, mit Fischernetzen und Langusten allenthalben im Angebot, frisch gefangen. Nein, Militärhafen mit ein paar kümmerlichen Fregatten - im Blick übers Hafenbecken ein paar Kräne, die nichts zu tun zu haben scheinen. Ich werde das morgen beobachten, denn:

Blick aus meinem Zimmer im Parador FerrolMein Eck-Zimmer ist phantastisch, das Bett, der Ausblick aus den zwei bodentiefen Fenstern in je eine Richtung,die balkongartig Blick aus meinem Zimmer im Parador Ferrolvorgebaut sind und jeweils mit einer kleinen Sitzgruppe versehen, um zu dröseln, über den Hafen zu schauen und das Treiben zu verfolgen. Und das ist gut so, denn ich habe hier einen Ruhetag eingeschoben um zu meditieren, wie's denn weiter geht, denn hier ist die Welt zu Ende und der Startpunkt für die Rückreise.

Das war auch mein Grund, nach Ferrol zu fahren. Hier war ich noch nie, hier werde ich auch nie mehr her kommen. Also, wenn ich schon mal in dieser Gegen herumfahre, dann den nordwestlichsten Parador besuchen und sein Angebot nutzen unter dem schlichten Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann. (Boshaft könnte ich mich auch fragen: Ja und warum überhaupt?)

Nun werde ich morgen mal die Rückreise-Etappen überschlagen - es muss ja nicht der kürzeste Weg sein. Vielleicht noch einen Schlenker nach Süden und erst von da nach Gijon und Santander? Zumal meine heutigen Erfahrungen mit dem "Kathastrophenwetter" durchaus sehr erträglich waren, wie gestern ja auch schon.

Heute fuhr ich erst um 11:00 Uhr los. Als ich lud, regnete es noch. Als ich los fuhr, nicht mehr. Ich hatte mir zwei Etappen alternativ zurechtgebastelt: Bei wirklich miesem Wetter auf die Autobahn geklemmt und in gut zwei Stunden in Ferrol, zumal die normale Straße und die Autobahn sich umeinander schlängelten, nahezu exakt den gleichen Weg nahmen, nur dass die normale Straße Bergeinschnitte und -Nasen, Täler und Höhen nahm, wie sie kamen, während die Autobahn die Täler überbrückt, im Weg stehende Berge durchbohrt.

Ich habe den Weg ohne Autobahn gewählt und habe bei - angesichts des Autobahnangebotes - geringem Verkehr und bester, wenn auch nasser und mit Gefühl zu nehmender Kurven meine Bahn gezogen. Es regnete kaum - zumindest wo ich fuhr und zu dem jeweiligen Zeitpunkt, zu dem ich fuhr. Irgendwie war alles nass - nur ich nicht.

Nur das mit dem Fotographieren war wenig ergiebig. Situationen, Sicht und Licht waren nicht danach. Nichts Besonderes, keine Begegnungen, keine Situationen. Einfach eine Fahrt durch eine Landschaft in Spanien, die absolut nichts mit den Bildern zu tun hat, wenn wir Spanien sagen: Nicht braun, sondern grün, weil nicht trocken, sondern feucht. Begrünte Berge und gurgelnde Wasser in den Tälern und trotz Unwegbarkeit dicht besiedelt, trotz feuchten und sehr gemäßigten Klimas eher wenig wald- und feldbewirtschaftet, wenig Weideland und wenn, dann kleinteilig und mühsam, wie es eben in bergigen Gegenden ist.

Ich habe meine Fahreindrücke hier zusammengestellt. Es sind wirklich keine photographischen Wunderwerke und machen kein kuschegiges Gefühl, geben aber durchaus einen Eindruck von der Landschaft und dem Wetter, durch die ich gefahren bin. Klickst Du hier. GO!

 

 




Galicien
, die nordwestlichste spanische Provinz, die die Mauren auch in ihrer Blüte nie ganz beherrschen konnten. Und das X ist da! Statt des J. Caja in Spanisch, Caxa in Gallego. (Und beides heißt: Kasse). Sprache als Ausdruck separatistischen Selbstbewusstseins. Was die Basken bekanntlich mit absolut eigener Sprache mit nicht-iberischen Wurzeln bis zum Exzess betreiben.

Mal sehn, was es noch zu entdecken gibt - beim Abendessen werde ich anfangen.

Und erlebe eine Enttäuschung angesichts der Speisekarte meines Paradors! Da fahr' ich an die wilde Costa de Gallicia und finde in der Speisekarte alles, nur keinen frischen Fisch, keine frischen Muscheln, keine frische Schalentiere! Wo ich schon im Land drin überall an Hinweisschildern auf Parillada de Mariscos (Reiche Platten unterschiedlicher, gegrillter Fische und Schalentiere!) vorbei gefahren und mich auf eben solche zum Abendessen gefreut hatte!

Also mosere ich angesichts der Speisekarte und stoße auf volles Verständnis (und ganz deutliche Zustimmung) zur Berechtigung meiner Beschwerde bei der Bedienung. Das nette Mädchen versteht meine Enttäuschung und lässt mich verstehen, dass ich nicht der ersten Gast bin, der das moniert. Auf meine Frage, wer denn für dieses Angebot in den Speisekarten verantwortlich ist, erfahre ich: Die Zentrale in Madrid. Als ich ihr dann sage, dass ich dem Chef des Marketing, Senor Blanco, schon mal in anderer Angelegenheit eine Beschwerde geschrieben habe und das nun wieder tun werde, war sie und ihr herbeigeeilter Kollege sichtbar glücklich, dass sich endlich mal ein Gast weiter oben beschwert und nicht nur bei ihnen, die die Meinung der Gäste teilen, aber ja nichst ändern könnten, weil sie nicht gehört werden. (Altes Problem zentral geführter Unternehmungen: Man hört nicht auf die Leute vor Ort, ist weit weg, hat keinen Kontakt zur Basis, ein schlechtes Bild von den eigenen Mitarbeitern, fühlt sich in der Zentrale schon deshalb überlegen und schlauer, weil man da sitzt.)Vino

Ergebnis: Sie empfahlen mir ein Restaurante schräg gegenüber, bekannt in der Stadt für eben frisches Seegetier. Und dort komme ich gerade her - satt von dem, was ich mir erträumt hatte.

Wenn ich zu Hause bin und die Bilder einbaue, wirst Du sehen:
Es hat sich gelohnt und das Trinkgeld, was meine Bedienung
hier durch den guten Tip verdient hat, ist mehr als das, was
ich ihr gelassen hätte, hätte sie mir das Parador-Menu serviert.

una ensalada mixta
gambas plancha
sol a la parilla
wunderbar!!!

Und nun ist Zeit zum Pennen.... - morgen ist Ferrol-Tag.


FrühstücksblickFreitag, 17.04.09 [Ruhetag in Ferrol]

Der Tag begann mit einem Blick aus dem Fenster und dem erneuten Versuch zum Frühstück zwei weich gekochte Eier zu bekommen - nicht einfach, wie anderenorts beschrieben.

uevos passado por aguaNachdem ich genau erklärt hatte, wie's geht - 5 Minuten in kochendes Wasser und danach kurz in kaltem Wasser abschrecken - bekam ich zwei Eier mit zertrümmerten Schalen und habe den Verdacht, dass die Küche keinen Fehler machen wollte und sicherheitshalber mal nachgesehen hat, ob mein Auftrag erfüllt war: Das Eiweiß fest - das Eigelb flüssig. Abgesehen von der Optik: Es hat gepasst!

Nach wahrlich faulem Tag komme ich von einem langen Bummel durch die Stadt zurück, ein Bummel, der mich auf die östliche Seite der Plaza de España führte, die ich gestern wegen eines blickverstellenden Bauzauns nur als Baustelle wahrgenommen und als Ende der Welt angesehen hatte. Nicht wissend, dass sich hier die "reiche" Stadt von der "armen" trennt - trennen soll.

Zumindest erzählte mir das die Inhaberin einer kleinen Bäckerei in der Fußgängerzone, bei der ich schon gestern im Vorübergehen eine Palmera gekauft hatte, nachdem ich - der Besucher, der zum ersten Mal hier ist - sie auf meinen Eindruck einer sterbenden Stadt angesprochen hatte. Das brachte was in Schwung!

Zunächst ihre bestätigende Feststellung, dass es seit 1992 keine allegria mehr gebe, es mit der Lebensfreude der Stadt kontinuierlich bergab gehe. Das habe zwei wesentliche Gründe: Bis 1992 war Ferrol ein wichtiger Stützpunkt der Marine und die Stadt voller Militärs, Staatsfunktionären und Beamten. Die seien aufgrund staatlicher Entscheidungen abgezogen worden bis auf einen unwesentlichen Rest. Das sei aber das wirtschaftliche Rückrat der Stadt gewesen - schon immer. Außerdem habe eine recht gute Werftindustrie bestanden, die inzwischen im weltweiten Wettbewerb nahezu verschwunden sei.

Zum Anderen betreibe die Gemeindepolitik Förderung in den Neubauvierteln jenseits der Placa de España und hier, im alten Viertel, werde nichts getan, sickere die Armut und mit ihr die Verwahrlosung ein. Zunehmend stünden Läden leer.

All das in Spanisch und ausschweifend. Ich hörte zu, stand mit den zwei Palmeras in der Hand und mir tropfte die Nase.

Und so ging ich dann los, die neue "reiche" Welt jenseits der Plaza de España zu erkunden, was mit dem Ankauf von 2 Päckchen Papiertaschentücher (Pañuelos de papel) in der nächstbesten Farmacia begann.

Stimmt, der Platz ist mit riesiger Tiefgaragenanlage versehen, die man von der unter dem Platz durchgeführten Hauptsraße aus erreichen kann, monströs und großmannsüchtig neu gestaltet; an der einen Seite noch im Bau zerfällt er bereits an der anderen und ist folglich Opfer der Verwahrlosung, die doch wohl zumindest innenstadtübergreifend fest zu stellen ist - mit graduellen Unterschieden. Zumindest war ich froh, zumindest bei diesem Projekt keinen Hinweis auf Fördergelder der EU gesehen haben zu müssen....

Die Gesichter, die Läden, die kleinen Supermärkte mit ungepflegten Regalen, schmuddeligen Ecken, zerdepperten Bodenkacheln sprechen von der Armut.

Ferrol hat keinen Lebens-Sinn mehr - zumindest im Moment nicht.

Nachdem heute also nichts geschehen ist, erzähle ich mal was vom Eindringen zweier wichtiger Begegnungen mit Olivenöl in meinen Horizont. Das wollte ich schon immer tun, aber es hat nie so recht gepasst.

OlivenölDas Bild stellt zwei schlanke, quadratische Flaschen auf einem kleinen Tablett dar, vereint mit einem Salzfass - übliches Stereusalz-Fässchen. Eine der Olivenölflaschen hat ein olivgrün, das andere ein eher weinrot anmutendes Etikett und entsprechende Drehverschlüsse und beide behaupten, konkurrierend, bestes Olivenöl zu sein.

Dieses Trio steht auf jedem Tisch in jedem Parador und gibt dem Fremden zwei Rätsel auf: Das Eine ist die Frage, was machen die drei da - oder: was soll ich mit den dreien machen? Die könnenn doch nicht zur Zierde dienen oder als Werbeträger für spanisches Olivenöl - so viel es auch zu vermarkten gebe -, aber zum Nachwürzen auch nicht, denn Salat kommt immer angemacht und bei nahezu allen Speisen ist reichlich Olivenöl verwendet.

Beim Versuch, hinter das Rätsel zu kommen, ist Inaugenscheinnahme angesagt. Nähere Betrachtung offenbart nur das Offensichtliche: Zwei unterschiedliche Etikettenfarben und entsprechend farbige Schraubdeckel mit gleicher Produktaussage: Bestes Olivenöl. Das Salz war salzig - ansonsten aussagelos.

Schritt 1Des Rätsel erster Teil war recht früh durch Beobachtung spanischer Tischnachbarn gelöst, die nahezu alle das machten, was ich dann - inzwischen mit viel Genuss - auch mache: Wenn das Brot gebracht wid - und das wird natürlich immer gebracht, Schritt 2kaum dass man sitzt - schnappt man sich eine der beiden Flaschen und kippt auf den kleinen Teller, auf dem man güblicherweise das angebrochene Brot zu legt, eine deutliche Pfütze Olivenöl und salzt (!!) nach Gusto. Und dann bricht man seine Brotbröckchen und ditsch das Weiche im Olivenöl. Ich sage Dir, lieber Leser: köstlich!!!

TestanordnungBleit die Frage nach dem Unterschied der beiden Olivenöle über die Etikettenfarbe hinaus. Ich konnte sie ohne Hilfe eines Kellners nicht lösen. Unauffällig, aber wenn man es weiß, sichtbar, handelt es sich beim Parador stets um zwei Sorten: Arbequina, die geschmacklich etwas markantere und Hojiblanca, die milde Sorte. Um mir die Chance zu geben, das zu erfahren, brachte er mir ein Tellerchen mit zwei Teelöffeln und ich musste von jedem gesondert die Sorten verkosten (ohne Salz), was mir das Gefühl in Erinnerung rief, das entstand, wenn ich als Kind Lebertran nehmen musste. Ich habe den Unterschied nicht geschmeckt, aber das liegt an meiner - altersbedingt weniger feinfühligen - Zunge.

Jungbrunnen spanische ArtDas andere Bild bietet eine Steigerung der Gesundheitswirkung, die gutem Olivenöl nachgesagt wird. Es stellt einen Glas-Krug dar, der eine bräunlichgrüne Flüssigkeit beinhaltete. In dieser Flüssigkeit schwammen, nein drängelten sich schwimmend teils zweischichtig seltsam eiförmige Gebilde, die nicht lebten! Das ganze stand am Rande des Frühstücksbuffets und ich hatte das Glück, zwei gepflegte, gut erhaltene und bestens blondierte ältere Spanierinnen (geschätze 75 JaHre alt) im Umgang mit dem mir fremden Sud beobachten zu dürfen: Sie legten ein saugfähiges Weißbrot auf ihren Teller und begossen es sehr reichlich mit dem vermeintlichen Sud, der sich als Olivenöl herausstellte, in dem keine Wachtel-Eier, sondern geschälte Knoblauchzehen schwammen - erkennbar schon ziemlich lange. Gesund und schön alt werden - das ist das Geheimnis, nicht Brust-OP, Lifting und Fitness-Studio!!

Und übrigens:Als ich durch Ubeda schlenderte fiel mir ein kleiner Laden mit diesem Firmenschild auf:

Brot und Öl

So, nun habe ich den Ruhetag in Ferrol zumindest dazu genützt, diese lehrreichen, gesund und jung erhaltenden Lebenshilfen weiter zu geben.

Nun wird es Zeit, Abendessen zu gehen, es ist halb Zehn - und morgen ist auch noch ein Tag, die nächste Etappe durch die grüne Nordwestecke Spaniens ist angesagt.

Etappe 10
 
Villafranca - Ferol (12./13. Tag: Donnerstag/Freitag, 16./17.04.2009 - 211km/3:20h - Etappe 10)
Cafe
pan