Am 8. August morgens sind wir losgefahren: Cosi (damals 11 Jahre alt) und ich. Auf unserem dicken, blauen Motorrad. Ziel Norditalien.

Ulrike verfolgte unser Vorhaben mit angelegten Ohren. Verständlich.

Das Wetter war schön und wir brausten erst mal über die Autobahn gen Süden, um München rum bis zur Ausfahrt Holzkirchen und mit Genuss durchs Alpenvorland.

Einerstes Päuschen am Ufer des Tegernsees: Ein Capuccino, ein Eis und ein "herrlich-isses-Anruf" zu Hause. Und so war es auch!! Und weiter gings Richtung Innsbruck. Unangenehm wurde es im Inntal: langweilig, viel Verkehr und sehr warm. Durch die Stadt gewurschtelt und rauf zum Brenner. Die Autobahn haben wir gemieden, unter der Europa-Brücke Mittagessen.

Cosi war eine bezaubernde Beifahrerin. Ist es ihr doch wirklich gelungen mich davon zu überzeugen, dass sie die Fahrt und die vielen Kurven genoss, dass ihr das stundenlange Motorradfahren Freude machte - nur der Po tat weh. Manchmal. Mir auch.

Und weiter gings auf der Brennerstrasse bis Sterzing, wo wir Richtung Penser Joch (2.214 m) abbogen. Und dann immer das Tal des Talfer folgend Richtung Bozen. Ein traumhaftes, wenig befahrenes Sträßchen mit guter Decke.

Gegen 15:00 Uhr kamen wir in Bozen an. Tierische Hitze und alles döste. Unsere Hintern taten weh, der Schweiß lief uns unter der Montur über die Haut, die Unterwäsche klebte, die Helme schienen inzwischen so heiß, dass man ein Spiegelei darauf hätte braten können. Und wir sehnten uns nach einem kühlen Raum und raus aus den Klamotten.

Was trieb uns weiter? Nix - aber alles auf die Suche nach einem Hotel mit air-condition. Das war auch bald gefunden und wir nahmen Besitz von einem Doppelzimmer mit Bad. Besonders schön war's nicht, und wenn ich mich recht entsinne, tat's die Kühlung auch nicht. Aber man konnte es aushalten.

Nach dem Abendessen - Cosi hat sich im Restaurant wie eine 1 benommen übrigens während der ganzen Reise! - gingen wir bummeln. Unter den berühmten Einkaufsarkaden einmal rauf und einmal runter. Schade, dass die Läden zu waren. An einem kleinen Platz setzten wir uns auf eine Bank und schauten einer Sippe Schwarzer zu. Erst Mutter und 2 Kinder. Dann kamen immer mehr und eine vergnügte Familie fühlte sich in der nächtlichen Wärme auf dem Platz sichtlich wohl.

Ein schöner erster Reisetag lag hinter uns. Wir waren müde und glücklich, bummelten durch die Gassen zum Hotel, gingen ins Bett und schliefen den Schlaf der Gerechten.

Am nächsten Tag schwangen wir uns in der Kühle des Morgens auf unsere Maschine und ab ging es in die Berge - weg von den Hauptverkehrsachsen. Wir taten uns etwas schwer, die Ausfahrt aus der Stadt hinauf zum Paso di Mendola zu finden. Einmal auf der Spur kurvten wir die Serpentinen rauf und drüben wieder runter, machten eine Pause im Schatten hoher Tannen am Rande eines wunderschön gelegenen Golfplatzes auf der Höhe, folgten dem Flüsschen Noce vom Ausfluss; des Lago di S Guistina bis Spor Maggiore Richtung Lago di Molveno. Immer nach Süden über Fiave, Ballino bis uns der herrlichen Blick auf den Gardasee die Serpentinen hinab über Tenno nach Riva zog.

Mittag war es und bullenheiß, als wir in die Stadt eintauchten auf der Suche nach dem Ufer des Sees. Vor meinem inneren Auge hatte ein riesiger Becher italienischer Eisköstlichkeiten Form angenommen. Überzeugt, dass Cosi nicht ablehnen würde, stellten wir unsere Maschine am Hafen ab. Helme runter, Montur auf und in den Schatten der Markise der nächsten Cafeteria.

Wir waren uns schnell einig: Ein Hotel muss her - heute fahren wir nicht mehr weit. Riva und Torbole schienen uns nicht geeignet und so fuhren wir die Ostküste bis Malcesine.

Kennst Du Malcesine? An der Durchfahrtstraße ist eine Hotelauskunft: Schildchen mit Hotelnamen. Die Anzahl der Sterne signalisieren die Preisklasse und das rote Lämpchen meldet: belegt. Grün waren nur noch zwei Hotels mit 4 Sternen. Nix Billiges, sicher, aber die Hitze erweicht das Gehirn und bricht den Willen. Ja, wir haben noch ein schönes Doppelzimmer mit Bad und air-condition für zwei Nächte. 'Fahren Sie 3 km nach Süden, dann rechts weg ,Hotel Maximilian, ganz leicht zu finden!' lockte eine freundliche Stimme.

Wir folgte ihr und fanden uns eine halbe Sunde später in einen Traum versetzt. Ein herrliches Zimmer, kühl, großzügig, sauber mit Fernseher in der Dependance, einem kleinen Häuschen mit nur zwei Doppelzimmern mit Blick auf den See und nur eine grüne Wiese mit schattenspendenden Olivenbäumen, die zum Hotel gehörte, trennten uns vom Seeufer, ca 20 m entfernt.

Raus aus den Klamotten und ab ins Wasser; kühl und erfrischend. Und dann unter die Bäume in den Schatten - Liegen standen bereit. So vertrödelten wir den Nachmittag mit Nichtstun, Cosi im und am Wasser, ich im Schatten Spiegel lesend. Gegen Abend schlenderten wir an der Wasserkante entlang zu einem Restaurant in Blickweite und ließen es uns schmecken - italienisch und gut.

Und weil wir müde sind, gehen wir früh ins Bett in unserem kühlen, ruhigen Zimmer.

Nach dem Frühstück auf der Hotel-Terasse haben wir uns erstmal ein Bild von unserem Domizil gemacht. Ziemlich luxuriös, ein kleines, schönes Schwimmbad und Zugang zum See, angenehme Gäste (der Preis filtert). Da wollen wir es uns nachmittags wohl sein lassen, wenn die Hitze uns das nahe legt. Aber erst wollte ich Cosi, die ja zum aller ersten Mal in ihrem Leben im Süden, in einem mediterranen Land war, ein bisschen vom Gardasee zeigen und so fuhren wir die Küstenstrasse entlang bis Sirmione, ganz im Süden.

Abgesehen von dem herrlichen Eisbecher, den wir dort gegessen haben, war die Fahrt kein Goldnugget: Wahnsinns Verkehr, zunehmende Hitze und die Rückfahrt hätte ich mir gern erspart. Ging aber nicht. Zurück fuhren wir nach Malcesine rein und bummelten. Ein Eis hier, ein kleines Geschenk für Leona in einem der unendlich vielen Kitschläden, eine Taucherbrille und einen Schnorchel für den Nachmittag im Wasser, ein Salat zum Mittagessen, zuschauen, wie die Leute vom Dampferchen steigen und wieder in's Hotel, als die Nachmittagshitze uns das nahelegte.

Wir genossen Bad und leckere Säfte, die die Bar im Schatten bot. Cosi schnorchelte stundenlang. Herrlich erholsam. Und wir beschlossen, noch einen Tag zu bleiben. Das Hotel machte uns einen Strich durch die Rechnung: Leider ab morgen ausgebucht.

Der Abend gehörte einem Abschiedsbummel in Malcesine. Wir aßen direkt am kleinen Hafen, das Tischchen an der äußersten Kante. Cosi knabberte die trockenen, leckeren Gebäckstäbchen, mir schmeckte der Chianti und das Abendessen war ein Genuss. Kann man mit 62 in seine kleine 11-jährige Tochter verliebt sein?

Wir bummelten mit und gegen den endlosen Strom von Urlaubern bergauf und bergab durch die Gässchen, ließen uns treiben und genossen die samtweiche Luft, die abendliche Wärme, das Leben zwischen den Häusern. Irgendwo trank ich ein Bier während Cosi im Laden gegenüber die Verkäuferin bat, ihr ein ganz bestimmtes, verziertes Lederarmband vom Ständer zu nesteln und bezahlte den Handel.

Es war ein herrlicher, ein traumhafter letzter Abend in Malcesine und wir beschlossen nicht, wie ursprünglich gedacht, am nächsten Tag nach Hause zu fahren, sondern quer durch die Berge nach Westen, irgenndwo hin an den nördlichen Lago die Como.

Beschlossen - getan. Noch ein schönes Frühstück auf der Hotelterasse, Rechnung bezahlt (Uff! Stöhn!!) und über Torbole und Riva westwärts in die Berge. Entlang am Ufer des Lago di Ledro nach Storo, dort südwärts an den Lago d'Idro. Von dort über Bagolino nord-westlich nach Breno und weiter nach Norden Richtung Edolo.

In Berzo Demo wollten wir nach Süd-West Richtung Zogno und dann wieder nach Nord-Nord-West bis Morbegno. Von da wäre es nicht mehr weit gewesen an den Comer See. Wir wollten. Auf dem Paso Croce Domini in 1892 m Höhe entschieden wir uns anders - unfreiwillig.

Die Rechtskurve um eine Bergnase an der höchsten Stelle hätte den Blick nach hinten verstellt und ein geschotterter Platz auf der linken Strassenseite lud zu einem Halt ein. Wir folgten der Einladung. Ein Moment des Verharrens, des Blickes zurück in die Berge, die wir gequert hatten, des Blickes voraus, die vor uns liegenden Kurven mit den Augen hinab ins nächste Tal vorwegnehmend.

Und beim Losfahren geschah es.

Ich hatte eine Bodenunebenheit übersehen, die Maschine geriet noch stehend aus dem Gleichgewicht. Wir kippten. Cosi war runtergerollt und stand schon wieder, als mein Bemühen, ein Umfallen des Motorrads zu verhindern, endgültig in die Hose - besser auf's Bein ging. Ein stechender Schmerz im rechten Knöchel. Ich lag und die Maschine auch. Und mein Bein tat saumäßig weh. Schei...! Hoffentlich nicht gebrochen, war mein einziger Gedanke! Ich rappelte mich hoch, versuchte das Motorradmonster (immerhin ca. 5 Zentner schwer) aufzurichten. Und es gelang dank eines Tips, den mir mein Freund Robert, ein erfahrener Biker, einmal gegeben hatte. Mühsam und unter verdammten Schmerzen. Mir wurde schwummrig. Aber wir haben es geschafft, die Maschine an die steile Grasböschung an der gegenüberliegenden Straßenseite zu lehnen. Und uns daneben, um zu verschnaufen und meinem Kreislauf die Chance zu geben, sich zu bekobern.

Ein Auto kam um die Kurve, der Fahrer schien wegen unserer seltsam ungewohnten "Parkweise" die Fahrt kurz zu verzögern, kam wohl zur Erkenntnis, dass alles in Ordnung sei und rollte weiter, was mir recht war. Männer sind nunmal Helden - oder wären es wenigstens gern.

Mein Bein, mein Fuß tat höllisch weh. Aber irgend wie mußte es weiter gehen. Wir versuchten es - und es ging. Unter teuflischen Schmerzen, aber besser, als befürchtet. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Es war der rechte Fuß - Glück im Unglück. Er wird nur bremsunterstützend tätig, die Schaltung erfolgt mit dem Linken. Und der war ebenso in Ordnung wie alle anderen Gliedmaßen und das Motorrad, das nur am rechten Spiegelschutz ein paar Schrammen hatte.

Aber der Traum vom Lago die Como war ausgeträumt, das wurde mir bald klar, als der Fuß zügig anschwoll und schließlich wie eine heiße Wurst in der Pelle im Stiefel saß. Übernachten hieß Stiefel aus und dass ich den nicht mehr anbekommen hätte, war klar. Also gab es nur eins: Welcher ist der kürzeste Weg nach Hause?

Kurz ist gut. Als wir abends um 9:00 Uhr zu Hause waren, lagen 8 Stunden auf dem Motorrad, 570 km, St. Moritz und einige 2000er Pässe (Serpentinen rauf, Serpentinen runter) hinter uns: Angefangen mit dem Bernina gefolgt vom Flüelen usw. Bei Chur auf die Autobahn, durch die Schweiz, Österreich und dann volle Pulle mit knapp 200 gen Norden nach Milmersdorf.

Cosi zahlte an den Tankstellen und brachte mir die Cola zum Motorrad. Eine tolle, zuverlässige immer zufriedene, liebe, aufmerksame und niemals klagende Beifahrerin und Mitreisende.

Es war - trotz des Endes - eine herrliche, eine traumhafte kleine Reise nach Italien, die mich rückblickend mit Wehmut erfüllt. Es war ein herrlicher, gelebter Traum.

Sachsen, 08.04.2001

Nachtrag
Das Bein war tatsächlich gebrochen und ich hatte 8 Wochen lang einen Gips und war 4 Wochen auf den Wohnzimmersessel gefesselt.
Irgendwas muss der Mensch machen. Ich habe das Gestalten von Web-Sites und deren Veröffentlichung gelernt.

Route
Cora
Michael
Ein Ausflug an den Gardasee mit Folgen (Dienstag, 08. - Freitag, 11.August 2000)